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Mundgesundheit von Flüchtlingen: Prävention hilft

V.l.n.r.: Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Prof. Dr. Michael Walter, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Prof. Dr. Christian Splieth, Universität Greifswald, Dr. Peter Engel, Präsident der Bundeszahnärztekammer und Jette Krämer, Leiterin Abt. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundeszahnärztekammer auf der Pressekonferenz des Deutschen Zahnärztetages am 10. November 2017 in Frankfurt am Main
Bildquelle: BZÄK/axentis.de

Die Mundgesundheit von Flüchtlingen entspricht etwa dem nationalen Stand der Bevölkerung vor 30 Jahren. Viele der Defizite könnten jedoch mit gezielter Prophylaxe und Prävention aufgefangen werden. Das sind einige Ergebnisse der repräsentativen Studie „Flüchtlinge in Deutschland - Mundgesundheit, Versorgungsbedarfe und deren Kosten“ der Universität Greifswald unter Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, der Bundeszahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung. Vorgestellt wurde die Untersuchung heute anlässlich des Deutschen Zahnärztetages 2017 in Frankfurt a. M.

Die multizentrische Erhebung bietet erstmals einen wissenschaftlich abgesicherten, systematischen Überblick über die Mundgesundheit von Menschen, die in Deutschland  Schutz vor Not, Vertreibung und Krieg gesucht haben. Insbesondere Kinder weisen einen deutlich erhöhten Kariesbefall auf. Die Karieswerte im bleibenden Gebiss steigen bei jugendlichen und erwachsenen Geflüchteten an. Die geschätzten Kosten des zahnmedizinischen Behandlungsbedarfs variieren je nach Alter erheblich und liegen bei 45- bis 64-jährigen Patienten am höchsten.

Prof. Dr. Michael Walter, Präsident der DGZMK: „Der Erhalt oder die Wiederherstellung der Gesundheit ist ein Beitrag zur erfolgreichen Integration und stellt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar. Dieser stellen wir uns mit unserer Fachkompetenz. Die Studie zeigt klare Versorgungsbedarfe in wesentlichen zahnmedizinischen Disziplinen wie Zahnerhaltung, Parodontologie oder Kieferorthopädie und beziffert mögliche Kosten. Damit liegt eine wissenschaftliche Datenbasis vor, die sowohl die orale Erkrankungslast als auch den zahnmedizinischen Behandlungsbedarf bei Flüchtlingen valide erfasst."

Dr. Peter Engel, Präsident der BZÄK: „Aufgrund der in der Studie erkannten Probleme ist es notwendig, die erfolgreichen Präventionskonzepte von Gruppen- und Individualprophylaxe gezielt auf Flüchtlinge und vor allem deren Kinder auszuweiten. Mit einer kulturspezifischen Vermittlung, wie man Krankheiten vorbeugt, erreicht man die Menschen. Damit Flüchtlinge an den sehr erfolgreichen zahnmedizinischen Präventionsstrukturen in Deutschland teilhaben können, bedarf es gesellschaftspolitischer Initiativen. Der zahnärztliche Berufsstand steht dafür zur Verfügung, denn Vorbeugung ist immer besser und günstiger als Nachsorge.“

Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstandes der KZBV: „Diese Daten schaffen die Grundlage für eine Versachlichung der Diskussion um Kosten für die zahnmedizinische Versorgung von Flüchtlingen. Fest steht jetzt: Für Krankenkassen und öffentliche Hand besteht kein Grund für Alarmismus. Die Behandlungskosten bleiben in einem vertretbaren Rahmen. Dies gilt ebenso für die akute Schmerzversorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, wie für den Aufwand, der nach Anerkennung von Asyl durch Regelleistungen der GKV entsteht. Auch bei der Behandlung von Flüchtlingen kommt dem Ansatz der Wissenschaft selbstverständlich besondere Bedeutung zu: Vermeidung von Mundgesundheitsschäden durch Prävention hat Vorrang, bestehende Schäden sollten so früh wie möglich - und in der Folge zu vergleichsweise geringen Kosten - behoben werden. Durch regelmäßige Kontrollen gilt es dann, eine stabile Mundgesundheit zu erhalten, idealerweise dauerhaft.“

Die Kosten für eine vollständige Wiederherstellung der Mundgesundheit betragen der Studie zufolge zwischen 178 bis 1759 Euro pro Flüchtling – in Abhängigkeit von der Altersgruppe. Die tatsächlichen Kosten durch die Inanspruchnahme der Behandlungen nach der regelhaften GKV-Versorgung dürften diese hypothetisch ermittelten Gesamtkosten pro Flüchtling jedoch deutlich unterschreiten. Alle genannten Berechnungen sind Schätzungen, die von den Rahmenbedingungen des Einzelfalls abhängig sind. Prof. Christian Splieth, Leiter des Autorenteams, empfiehlt bestehende Präventions- und Prophylaxekonzepte für Flüchtlinge anzubieten, um  restaurative Maßnahmen möglichst zu vermeiden.

Für die repräsentative Querschnittsstudie wurden von Ende des Jahres 2016 bis Mitte 2017 insgesamt 544 Flüchtlinge aller Altersgruppen von Zahnärztinnen und Zahnärzten an verschiedenen Standorten untersucht. Im Gegensatz zu anderen Erhebungen, die sich meist auf spezielle Erkrankungen in einzelnen Altersgruppen von Flüchtlingen beschränken, werden in der vorliegenden Studie die wesentlichen Mundgesundheitsprobleme und mögliche Therapiekosten bei Patienten im Alter von 3 bis 65 Jahren erfasst.

Förderung der Studie

Die Studie zur Mundgesundheit von Flüchtlingen wurde von der Wrigley Company Foundation gefördert. Wrigley sieht in diesem Engagement den Auftakt gemeinsamer Bemühungen mit Wissenschaft, Politik und Selbstverwaltung, um die orale Morbidität bei Flüchtlingen systematisch, koordiniert und bedarfsgerecht zu beheben.

Studie

Die Studie, eine Zusammenfassung zentraler Ergebnisse sowie weitere Informationen für Praxen  sind jeweils auf den Websites der beteiligten Institutionen abrufbar: