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Weniger Zahnärzte: Bürgerversicherung gefährdet Versorgung auf dem Land

Grafik: KZV Rheinland-Pfalz

Rund 340 Zahnärzte und 1.500 Arbeitsplätze in Zahnarztpraxen weniger im ländlichen Rheinland-Pfalz – dieses Szenario droht mit der Einführung einer Bürgerversicherung. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Wolfgang Merk für die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) Rheinland-Pfalz.

Internationale Vergleiche belegen, dass die Deutschen sehr gut medizinisch behandelt werden. Das liegt auch an der wohnortnahen und flächendeckenden Versorgung durch niedergelassene Mediziner. Eine Bürgerversicherung würde das aufs Spiel setzen. Rund 300 Zahnarztpraxen mit 344 Zahnärzten in Kleinstädten und Dörfern droht laut Gutachten das Aus. Dr. Peter Matovinovic, Vorstandsvorsitzender der KZV Rheinland-Pfalz, ist angesichts dieser Zahlen alarmiert. „Eine Bürgerversicherung gefährdet die Versorgungssicherheit der Patienten im ländlichen Rheinland-Pfalz. Gerade kleinere Praxen könnten nicht mehr wirtschaftlich arbeiten und müssten schließen. Für die Patienten hieße das kein Zahnarzt vor Ort und längere Wege zur nächsten Praxis.“

Bürgerversicherung erschwert Praxisnachfolge

In Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnern müssen in den nächsten zehn Jahren altersbedingt für 417 Zahnärzte Nachfolger gefunden werden. Kommt die Bürgerversicherung mit einheitlichen Gebühren und fallen die Einnahmen aus Zusatzversicherungen und aus der privaten Krankenversicherung weg, ließe sich die große Mehrheit dieser Praxen nicht mehr wirtschaftlich führen. Nachfolger blieben aus. Die zahnmedizinische Versorgung würde sich künftig auf Mittel- und Großstädte konzentrieren. Der Wegfall der Praxen hätte Folgen auch für den Arbeits- und Ausbildungsmarkt im ländlichen Raum. Das Gutachten prognostiziert einen Abbau von rund 1.500 Stellen für Praxispersonal.

Wettbewerb und Wahlfreiheit sichern Qualität

Der Erhalt von gesetzlicher und privater Krankenversicherung ist für Matovinovic der Garant für eine qualitativ hochwertige Versorgung. „Konkurrenz belebt das Geschäft, sie sichert medizinische Innovationen und die Wahlfreiheit des Patienten. Ohne Systemwettbewerb ist zu befürchten, dass der Patient eine moderne Zahnmedizin erst sehr viel später, im schlimmsten Fall gar nicht, erfährt.“ Der KZV-Chef warnt die Politik deshalb vor einem Systemumstieg. Gut funktionierende Versorgungsstrukturen müssten erhalten bleiben. „Die Bürgerversicherung ist ein waghalsiges Experiment mit gravierenden Konsequenzen für die Gesundheitsversorgung und die Infrastruktur insgesamt.“ Insbesondere kleinere Gemeinden liefen Gefahr auszubluten. Matovinovic: „Für ein Flächenland wie Rheinland-Pfalz mit vielen ländlich geprägten Regionen ist das besonders dramatisch.“

Zentrale Ergebnisse des Gutachtens

Durch das Zusammenführen von gesetzlicher und privater Krankenversicherung sind wirtschaftliche Einbußen je Praxis im Schnitt von rund einem Drittel (32,54 Prozent) zu erwarten.
In Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohner können nur Praxen nachbesetzt werden, die auch nach Einführung einer Bürgerversicherung wirtschaftlich arbeiten. Das sind 15 bis 20 Prozent der Praxen. Die Nachfolgeproblematik auf dem Land wird sich verschärfen.
Die Versorgung auf dem Land wird drastisch ausgedünnt. Die Zahl der bisher 417 niedergelassenen Zahnärzte, die in den nächsten zehn Jahren ersetzt werden müssen, wird sich auf 73 reduzieren. Das sind 344 Zahnärzte in 300 Zahnarztpraxen weniger – ein Minus von rund 80 Prozent.
Zusätzlich fallen zirka 1.500 Arbeitsplätze für Praxispersonal weg.
Die zahnärztliche Versorgung wird sich auf Städte über 50.000 Einwohner konzentrieren.

Hintergrund:

Was ist die Bürgerversicherung? Unter Bürgerversicherung verstehen SPD, Bündnis90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE ein Versicherungssystem, in dem alle Bürger, auch Beamte und Selbstständige, zu gleichen Bedingungen gesetzlich krankenversichert sind. Die private Krankenvollversicherung, so wie es sie heute gibt, würde wegfallen. In ihren Programmen zur Bundestagswahl haben die Parteien kein einheitliches Konzept für eine Bürgerversicherung vorgelegt, sie verfolgen unterschiedliche Ansätze für die Vereinheitlichung der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung. Sie eint jedoch das Vorhaben, in der gesetzlichen Versicherung Zusatzbeiträge abzuschaffen sowie die Krankenversicherung zu gleichen Teilen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanzieren zu lassen. Zudem wollen sie die Gebührenordnungen der beiden Versicherungssysteme zusammenführen.

Das Gutachten: Das Sachverständigeninstitut Prof. Dr. Wolfgang Merk hat im Juli 2017 das Gutachten zu den „Auswirkungen der Einführung einer Bürgerversicherung auf die zahnmedizinische Versorgung“ vorgelegt. Auftraggeber war die Arbeitsgemeinschaft der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen Baden-Württemberg, Bayerns, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Merk ist als Sachverständiger für das Fachgebiet „Bewertung von Unternehmen und Praxen im Gesundheitswesen, Betriebsanalysen und Betriebsunterbrechungsschäden" öffentlich bestellt und vereidigt. Seine Berechnungen im Gutachten stützen sich auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes, der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und der KZV Rheinland-Pfalz.

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