Expertenbeirat zur Qualitätssicherung von Gesundheitsapps gefordert
Bislang sind lediglich etwa 50 Apps in Deutschland als Medizinprodukte der Klasse I bzw. IIa zugelassen. Sie sollen dazu beitragen, Krankheiten zu erkennen, zu überwachen, zu behandeln oder zu lindern. Mit Inkrafttreten des DVG könnten deutlich mehr digitale Gesundheitsanwendungen in die Regelversorgung kommen. Entscheidend für die Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung ist der Nutzen, den eine App für den Patienten bzw. eine Patientengruppe hat. Voraussetzung ist, dass die betreffende App im vom BfArM geführten „Verzeichnis für Digitale Gesundheitsanwendungen“ gelistet ist. Meldet ein Hersteller eine App beim BfArM zur Aufnahme in das Verzeichnis an, prüft dieses zunächst Faktoren wie Datenschutz, Datensicherheit, Qualität und Funktionstauglichkeit nach dem Stand der Technik und auf „Basis des Nachweises positiver Versorgungseffekte“. Gibt das BfArM grünes Licht, wird die jeweilige Anwendung für ein Jahr durch die Kassen erstattet. Innerhalb dieses Zeitraums muss der Hersteller gegenüber dem Institut belegen, dass das Produkt die Versorgung der Patienten nachweislich verbessert.
Was bislang jedoch fehlt, ist eine einheitliche Definition dessen, was die Qualität einer Gesundheits-App kennzeichnet sowie ein geeignetes Bewertungsschema. „Maßstab für die Qualität kann nur sein, ob die digitale Anwendung die Kriterien der evidenzbasierten Medizin erfüllt. Das gelingt am besten, wenn sie unmittelbar Leitlinien-Wissen integriert“, betont Professor Dr. med. Rolf Kreienberg, Präsident der AWMF, die gerade ein Projekt zur Digitalisierung sämtlicher Leitlinien gestartet hat.
Doch wie kann konkret sichergestellt werden, dass digitale Anwendungen höchsten Qualitätsansprüchen entsprechen? „Der Grad der Qualität einer App ist beispielsweise davon abhängig, wie transparent die ihr zugrunde liegenden Qualitätskriterien sind, aber auch, wie geeignet die Software ist, in einem bestimmten Anwendungsbereich zum Einsatz zu kommen“, erläutert Priv.-Doz. Dr. med. Urs-Vito Albrecht vom Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik an der Medizinischen Hochschule Hannover. Bewerten müsste man außerdem das Risiko, das möglicherweise von der Nutzung der App ausgehe und ob dieses angemessen sei, so Albrecht. Ethische Unbedenklichkeit, Rechtskonformität, technische Angemessenheit, Gebrauchstauglichkeit, Ressourceneffizient und vor allem die inhaltliche Validität seien weitere Kriterien, die für die Bewertung wichtig wären und fachübergreifend Gültigkeit hätten. „Für die Prüfung der inhaltlichen Validität müssen die Fachgesellschaften der AWMF die Möglichkeit haben, ihre Expertise institutionalisiert in die Prüfverfahren des BfArM einzubringen“, fordert Kreienberg. Deren Bewertungskompetenz sei mit Blick auf die medizinisch-wissenschaftliche Qualität einer App sowohl bei deren Zulassung als auch bei deren Nutzenbewertung unverzichtbar.
Dazu gehören auch offizielle Stellungnahmeverfahren und eine transparente Darlegung, inwieweit die abgegebenen Stellungnahmen Berücksichtigung finden.
Im Zuge der Medical Device Regulation (MDR) die ab Mai 2020 anzuwenden ist, hatte die AWMF bereits eine ähnliche Forderung erhoben. Auch hier ist es wichtig, dass medizinische Experten institutionell eingebunden beratend tätig werden. Die AWMF hatte daher bereits vor Monaten aus 15 Fachgesellschaften 43 Expertinnen und Experten für die fachliche Beratung benannt, was bislang jedoch keine Berücksichtigung fand. „Eine verlässliche Qualitätssicherung der digitalen wie analogen Medizinprodukte ist nur unter Mitwirkung derer möglich, die auch Leitlinien entwickeln und auf dieser Basis den medizinischen Versorgungsstandard für Klinik und Praxis definieren“, betont Kreienberg.