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Fernbehandlung in Niedersachsen: "Digitalisierung muss Patienten dienen"

Bild: Freerangestock / StuartMiles

„Auch in Niedersachsen ist nun die ausschließliche Fernbehandlung unter bestimmten Rahmenbedingungen möglich“, berichtet Dr. med. Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) auf dem 2. Niedersächsischen Digitalgipfel Gesundheit in Hannover. Niedersachsen folgt damit dem Beschluss des 121. Deutschen Ärztetags, der in diesem Jahr in Erfurt die entsprechende Änderung der Muster-Berufsordnung entschieden hat. „Die Kammerversammlung hat mit großer Mehrheit der Formulierung des Ärztetags zugestimmt – die Regelung tritt zum 1. Dezember 2018 in Kraft“, erläutert Wenker.

Die umsichtig erarbeitete Formulierung ermöglicht die Gratwanderung zwischen dem Wunsch vieler Patienten nach mehr Autonomie und Entscheidungsmöglichkeiten und der Wahrung der erforderlichen ärztlichen Sorgfalt. „Der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt soll auch mit dem neuen Passus weiterhin der Goldstandard der ärztlichen Behandlung bleiben“, betont die Kammerpräsidentin. „Die ausschließliche Fernbehandlung sollte nur eine Ergänzung, aber niemals ein Ersatz für die persönliche ärztliche Behandlung vor Ort sein.“

„Ich freue mich, dass auch der 2. Niedersächsische Digitalgipfel Gesundheit an der Hochschule Hannover und in Kooperation mit unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durchgeführt wird. Mit unserem disziplinenübergreifenden, technischen, juristischen und sozialwissenschaftlichen Know-how können wir Ärzte und Ärztinnen unterstützen und befähigen, diese Gratwanderung zu meistern“, betont der Präsident der Hochschule Hannover (HsH), Professor Dr. Josef von Helden.

„Patienten finden den Weg zum Arzt heute häufig über einschlägige Bewertungsportale. Der professionelle Umgang gerade mit kritischen Beiträgen und ein wachsamer Blick auf die eigene Reputation im Internet sind für den wirtschaftlichen Erfolg daher immer wichtiger. Im Rahmen des Digitalgipfels nehmen wir uns dieses Themas sowohl in juristischer als auch in kommunikations-wissenschaftlicher Dimension an“, ergänzt HsH-Professor Dr. Fabian Schmieder, der gemeinsam mit ÄKN-Vorstandsmitglied und Vorsitzendem des Arbeitskreises „Digitale Gesundheit“, Dr. med. Gisbert Voigt, die wissenschaftliche Leitung des Digitalgipfels innehat.

Für den HsH-Präsidenten sind die Fragen nach Verlässlichkeit von Informationen und Sicherheit im Umgang mit sensiblen Daten ein bekanntes und zentrales Thema. Entsprechend hebt er die Bedeutung der Zusammenarbeit von wissenschaftlicher Forschung und Expertise und praktischer Anwendung hervor: „Die Durchführung anwendungsnaher Kooperationsprojekte mit Partnern aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ist unser Alltag. Es ist für uns selbstverständlich, gemeinsam mit Nutzerinnen und Nutzern nach Lösungen auf Fragen zu suchen, die sich etwa durch technische Neuerungen ergeben.“

Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann betont: „Digitalisierung hilft! Mit dem Masterplan Digitalisierung sorgt die Landesregierung für verlässliche Rahmenbedingungen in einem laufenden digitalen Transformationsprozess. Das gilt insbesondere auch für den Gesundheitsbereich. Unser Ziel ist es, eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung in einem Flächenland wie unserem zu sichern. Dazu gehören neue digitale Möglichkeiten und innovative Ideen. Telemedizinische Angebote sind eine sinnvolle und wichtige Ergänzung, denn sie entlasten und unterstützen Ärztinnen und Ärzte, ohne sie zu ersetzen. Der sogenannte Telerucksack und das Gifhorner Telemedizinprojekt zielen zum Beispiel auf die Delegation von Aufgaben von Ärztinnen und Ärzten auf geschultes Fachpersonal ab. Neue Versorgungsmodelle für ländliche Räume made in Niedersachsen.“

„Die Möglichkeiten der Digitalisierung werden in den nächsten Jahren dazu führen, dass sich das Berufsbild des Arztes verändern wird. Das betrifft zum einen das Arbeiten in der zunehmend digitalisierten Welt, aber auch die Kommunikation und den Umgang mit den Patienten“, sagt Niedersachsens Minister für Wissenschaft und Kultur, Björn Thümler. „Zwischenmenschliche Interaktion wird eine noch größere Rolle spielen. App-basierte telemedizinische Modelle können die Patienten intensiver in die Behandlung ihrer Erkrankungen einbinden und den Behandlungsverlauf optimieren. Den Kontakt zwischen Arzt und Patient und die damit einhergehende Vertrauensbeziehung können sie jedoch in keiner Weise ersetzen.“

Warum dieser direkte Kontakt so immens wichtig ist, zeigt sich unter anderem in Krankheitsbildern wie der „Cyberchondrie“. Dieser pathologische Zustand besteht bei Menschen, bei denen hypochondrische Tendenzen durch Informationen aus dem Internet ausgelöst oder verstärkt werden. „Die ständige Erreichbarkeit von mehr oder minder zutreffenden medizinischen Informationen im Internet führt bei vielen Patienten zu starker Verunsicherung“, mahnt ÄKN-Präsidentin Wenker. Sie betont: „Wir Ärzte müssen die Ängste dieser Patienten ernstnehmen und die vielen Informationen für sie richtig einordnen – und das geht vor allem im direkten Arzt-Patienten-Kontakt.“

Der 2. Niedersächsische Digitalgipfel Gesundheit findet am 28. November 2018 ab 9.30 Uhr im Design Center an der Expo Plaza 2 in Hannover statt. Rund 200 Teilnehmer haben sich angemeldet. Mit dabei sind zahlreiche Ärzte, Wissenschaftler, Mandatsträger aus der niedersächsischen Landespolitik sowie viele weitere Entscheider aus dem Gesundheitswesen aus Bund und Ländern. Wir freuen uns, Persönlichkeiten wie den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Gesundheit, Dr. rer. pol. Thomas Gebhart MdB, den Präsidenten der Ärztekammer des Saarlands, San.-Rat Dr. med. Josef Mischo sowie den bekannten Medizinethiker Professor Dr. med. Giovanni Maio, M.A. phil. als Referenten und Gäste begrüßen zu können.