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Neue „Vorschläge“: GKV-Spitzenverband hat Bodenhaftung verloren

Bild: Freerangestock / Jack Moreh

Zu den Vorschlägen des GKV-Spitzenverbandes zur Sprechstundenausweitung und zur Fortführung der Budgetierung im ambulanten Sektor erklärt der Bundesvorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Ärzte Deutschlands (NAV-Virchow-Bund), Dr. Dirk Heinrich: „Wer auf einem Riesenberg von Honorarschulden gegenüber der Ärzteschaft sitzt, Mehrarbeit einfordert und die Budgetierung als bewährtes Instrument sieht, hat jede Bodenhaftung verloren und nimmt die Verantwortung für eine gute Versorgung der gesetzlich Versicherten nicht mehr wahr.“

Bereits heute bekommen Vertragsärzte nicht den vollen Gegenwert ihrer Arbeit erstattet. Die gesetzliche Ausgabenbegrenzung trifft insbesondere die Vertragsärzte, die jene Patienten behandeln, die aufgrund von Multimorbidität häufig auf ärztliche Hilfe angewiesen sind. Die seit Einführung der Budgetierung im Jahre 1993 aufgelaufenen unbezahlten ärztlichen Leistungen belaufen sich seit Anfang der Budgetierung überschlägig auf weit mehr als 30 Milliarden Euro.

Kassen: Mythen, Legenden, Rituale

„Man sieht an den Äußerungen deutlich, dass es der Kassenspitze mehr um die Pflege selbst erfundener Mythen und Rituale geht, als darum, den in der ambulanten Versorgung tätigen Ärztinnen und Ärzten eine Perspektive aufzuzeigen. Mit Reflexen von gestern lässt sich keine Versorgung von morgen gestalten und schon gar keine Motivation junger Ärztinnen und Ärzte für eine Niederlassung erreichen. Bei der derzeitigen Diskussion geht es um die Entbudgetierung der Grundversorgung, also der Leistungen, die im Wesentlichen beim ersten Besuch von Patienten anfallen. Die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung zu budgetieren ist unethisch“, betont Dr. Heinrich.

„Es wird stur an der Legende festgehalten, ohne Budgetierung würden Ärzte ihre Leistungen unbegrenzt ausweiten. Auf der anderen Seite beklagen die Kassen lange Wartezeiten. Es wird also gefordert, dass Ärzte mehr arbeiten sollen, aber ihre Leistungen dabei nicht ausweiten. Das ist zutiefst unlogisch“, stellt Dr. Heinrich fest. „Dass die unterstellte Absicht der Leistungsausweitung jedoch inzwischen bei der Entwicklung der extrabudgetären Leistungen nachhaltig widerlegt ist, passt offenbar nicht ins alte Feindbild von Kassenfunktionären. Deshalb ist die Beendigung der Budgetierung der Grundleistungen von Haus- und Fachärzten für die Krankenkassen ohne Risiko“, so der Bundesvorsitzende des NAV-Virchow-Bundes.
 
Einziger Lichtblick in den Kassenäußerungen sei die Verbesserung der Vergütung von Hausbesuchen. „Eine angemessene Honorierung von Hausbesuchen ist längst überfällig. Hier sollten die Kassen endlich ihre Hausaufgaben machen. Das kann schon morgen geschehen – ganz ohne jedes unwürdige Pokern bei den Honorarverhandlungen“, betont Dr. Heinrich.

Kassen: eher Verwalter als Versorger

„Schließlich liegt es auch im Interesse der Krankenkassen, jungen Ärzten in der ambulanten Versorgung wieder eine Perspektive zu bieten. Ein Kassenchef, der die Botschaft aussendet Liebe Ärzte, leistet mehr, aber wir zahlen nix dafür, stößt genau diejenigen jungen Kolleginnen und Kollegen vor den Kopf, die zukünftig die Versicherten der Gesetzlichen Krankenkassen behandeln sollen. Es zeigt sich immer deutlicher, dass die Krankenkassen zunehmend stärker als Verwalter statt als Versorger handeln“, so Dr. Heinrich.