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„Patienten vor zu viel und falscher Politik schützen“

Bild: Freerangestock / Jack Moreh

Der Präsident der Ärztekammer Berlin, Dr. med. Günther Jonitz, widerspricht dem Vorsitzenden des Sachverständigenrates Gesundheit, Professor Dr. med. Ferdinand Gerlach, wonach Patienten vor zu viel und falscher Medizin geschützt werden müssten.

„Die Medizin und Patientenversorgung sind sehr erfolgreich, zugleich hoch komplex und deshalb auch an vielen Stellen verbesserungsfähig“, erklärt Jonitz und fügt hinzu: „Gleichwohl liegen die Probleme der Versorgung nicht in der sogenannten Über-, Unter- und Fehlversorgung, sondern in der politisch zu verantwortenden Fehlsteuerung: In über 40 Jahren kleinteiliger Gesundheitsreformen haben die Fremdbestimmung der Gesundheitsberufe, die Bürokratie, die Kosten und die weiche Rationierung zugenommen.“

Verantwortlich dafür sei eine Politik, die falsche Anreize setzt – nämlich finanzielle anstatt qualitative. Die Akteure werden gegeneinander in Misstrauen und Konkurrenz gesetzt. „Wer mit wenig Aufwand gute Medizin betreibt, wird per Gesetz mit Honorarabzug bestraft und nicht etwa belohnt. Die vom Gesetzgeber vorgegebenen finanziellen Regeln schaden der Versorgung und führen gerade nicht zur besten Medizin für die Patienten“, betont Jonitz. Die Einführung des Fallpauschalensystems habe wie vorhergesagt zu schlechterer Medizin bei höheren Kosten geführt.

Aus seiner Sicht haben „Markt“ und „Wettbewerb“ in der Patientenversorgung nur sehr begrenzt etwas zu suchen. „Stattdessen helfen Kooperation und gemeinsame Verantwortung dem Patienten weiter. Dies muss gewollt und gefördert werden“, sagt Jonitz. Anhand des Themas Digitalisierung werde sich in Zukunft zeigen, wie das Prinzip des verantwortungsvollen Miteinanders im Gesundheitswesen aussehen kann. Transparenz an sich ist noch kein Wert. Es muss stets um das Wohl und die Sicherheit des Patienten gehen und eben nicht um die Eigeninteressen einzelner Player. Hier sei die Politik gefragt. „Die permanente Diffamierung und die Suche nach Schuldigen für angebliche Missstände sind Teil des Problems, nicht der Lösung“, betont der Kammerpräsident und ergänzt mit Blick auf den Gesetzgeber: „Mit zunehmendem Umfang und Dicke des Sozialgesetzbuchs V ist die Versorgung teurer und schlechter geworden. Mehr Gesetze und Vorschriften sind offensichtlich der falsche Weg.“