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DG PARO präsentiert neue S3-Leitlinien auf dem Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt

v.l.: M. Kebschull, C. Dörfer, S. Schneider (Moderation), N. Arweiler
Bild: Bettina Dannewitz/DG PARO

Auf dem Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt am Main präsentierte die DG PARO als federführende Fachgesellschaft – neben der DGZMK – die lange erwarteten neuen S3 Leitlinien für die systematische Parodontitistherapie. In einem mehrstufigen Verfahren waren zahlreiche Interessengruppen an der Entstehung der Leitlinien auf dem höchsten wissenschaftlichen Evidenzniveau beteiligt und konnten unter anderem während einer Konsensuskonferenz im Oktober 2017 ihre Vorschläge einbringen. In der abschließenden Abstimmung gab es bei fast allen formulierten Statements einen einstimmigen Konsens. Damit liegen nun verlässliche Handlungsempfehlungen für die tägliche parodontologische Arbeit in der Praxis vor.

„Die Leitlinien sind ein wichtiger Schritt, um die Versorgung und die Qualität der Behandlung von über 11 Millionen Parodontitispatienten zu verbessern. Und sie sind ein wichtiger Beitrag, um durch konsequentes Biofilmmanagement die Prävention auf eine breitere Basis zu stellen“, bilanzierte DG PARO-Präsident Prof. Christof Dörfer.

Die Empfehlungen in den Leitlinien basieren auf einer systematischen Auswertung der Literatur unter Heranziehung von praxisrelevanten therapeutischen Endpunkten sowie einem breiten Konsens einer repräsentativen Gruppe von Anwendern und Adressaten der Leitlinie. Neben den jeweiligen Leitlinienteams waren Vertreter von 15 Fachgesellschaften, der BZÄK und der KZBV sowie das AWMF-Institut für Medizinisches Wissensmanagement eingebunden. „Die Anwender der Leitlinien können sich also sicher sein, dass die Empfehlungen ohne Einflussnahme von spezifischen Interessengruppen und unter Einhaltung strenger Regularien erstellt wurden“, zieht der Leitlinienbeauftragte der DG PARO, Prof. Moritz Kebschull, Bilanz.

Prof. Dörfer betonte, dass es der DG PARO wichtig war, die für die Praxis benötigten Leitlinien auf der höchsten Qualitätsstufe der Entwicklungsmethodik S3 in diesem mehrstufigen, streng formalisierten Vorgehen zu erstellen und damit Sicherheit zu schaffen zu allen Fragen einer optimalen Behandlung und Prävention. Gleichzeitig betonte er aber auch, dass Leitlinien nicht die Vielfalt der individuellen Rahmenbedingungen beim einzelnen Patienten abbilden und daher nicht die individuelle therapeutische Entscheidung ersetzen. Diese liege weiterhin in der Verantwortung des behandelnden Zahnarztes.
Zu den Leitlinien plant die DG PARO auch spezielle Empfehlungen für Patienten zu erstellen. Zahnarztpraxen können dann top aktuelles, evidenzbasiertes Wissen für die Patienteninstruktion und -aufklärung einsetzen. Prof. Kebschull wies zudem darauf hin, dass diese ersten parodontologischen Leitlinien auf S3 Niveau in Deutschland den Anstoß für ein internationales Leitlinienvorhaben gegeben haben, das von der Europäischen Föderation für Parodontologie (EFP) mit ihren 30 Mitgliedsnationen koordiniert wird.

Die neuen Leitlinien im Überblick

Häusliches mechanisches Biofilmmanagement in der Prävention parodontaler Erkrankungen

Leitlinienteam: PD Dr. C. Graetz, PD Dr. K. El-Sayed, Dr. S. Sälzer, Prof. C. Dörfer


Die Leitlinie zum häuslichen mechanischen Biofilmmanagement stellt ein evidenz- und konsensbasiertes Instrument dar, mit der das Potenzial und die Besonderheiten verschiedener häuslicher Hilfsmittel zur Prävention parodontaler Erkrankungen zusammengefasst werden. Die zentralen Empfehlungen lauten:
Elektrische Zahnbürsten (vor allem mit oszillierend-rotierenden Bewegungen) führen zu einer statistisch signifikanten, aber geringfügig größeren Reduktion von Gingivitis gegenüber Handzahnbürsten. Unabhängig von der verwendeten Zahnbürste soll eine Bürstdauer von mindestens zwei Minuten eingehalten werden. Zur Interdentalraumreinigung sollten bevorzugt Zwischenraumbürsten eingesetzt werden, da für sie gegenüber anderen Hilfsmitteln die höchste Evidenz besteht und sie den höchsten Effekt in der Gingivitisreduktion aufweisen. Soweit ihre Anwendung nicht möglich ist, soll  z. B. auf Zahnseide ausgewichen werden. Auch bei dentalen Implantaten ist ein mechanisches Biofilmmanagement zur Kontrolle peri-implantärer Entzündungen erforderlich. Traumatisierungen durch falsche Anwendung der genannten Hilfsmittel zum häuslichen Biofilmmanagement sind selten und in der Regel lokalisiert.   

Häusliches chemisches Biofilmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis

Leitlinienteam: Prof. T. Auschill, Dr. S. Sälzer, Prof. N. Arweiler

Das chemische Biofilmmanagement besitzt einen hohen Stellenwert, da die mechanische Mundhygiene von der Bevölkerung aus unterschiedlichen Gründen nicht ausreichend durchgeführt wird. Mundspüllösungen mit antibakteriellen Wirkstoffen zur Ergänzung des täglichen Biofilmmanagements sind gemäß der Leitlinie insbesondere in den folgenden zwei Anwendungsgebieten indiziert: Erstens in Situationen, bei denen kurzfristig (etwa zwei bis vier Wochen) als zusätzliche oder auch als alleinige Maßnahme eine hohe Keimzahlreduktion notwendig ist. Hier bieten sich Chlorhexidin (CHX)-Lösungen in 0,1- bis 0,2%iger Konzentration oder 1%ige Gele an, deren therapeutische Fähigkeiten (Gingivitis-Reduktion) in zahlreichen Studien und mit hoher Evidenz nachgewiesen sind. Zweitens bei Personengruppen, die längerfristig eine Ergänzung ihrer täglichen mechanischen Mundhygiene benötigen. Die dazu empfohlenen antibakteriellen Lösungen sind auf dem deutschen Markt als Kosmetika zugelassen und haben ihren Schwerpunkt auf der Prävention von Gingivitiden. Zu ihnen gehören auch die niedrig dosierten Chlorhexidin-Lösungen (z.B. 0,06%ig). Bei der Frage nach den Inhaltsstoffen, die sich vor allem für die 6-monatige Anwendung (wichtiges Einschlusskriterium der Studien) bewährt haben, zeigte sich neben CHX-haltigen Lösungen eine hohe Effektivität bei hohem Evidenzgrad vor allem für ein Produkt mit einer Mischung aus ätherischen Ölen. Daneben können aber auch Spüllösungen mit den Wirkstoffen Aminfluorid/Zinnfluorid oder Cetylpyridiniumchlorid eingesetzt werden, die einen kleinen bis moderaten Effekt bei geringem bis moderaten Evidenzgrad zeigten.

Adjuvante systemische Antibiotikagabe bei subgingivaler Instrumentierung im Rahmen der systematischen Parodontitistherapie

Leitlinienteam: Dr. Y. Jockel-Schneider, PD Dr. B. Pretzl., Prof. U. Schlagenhauf, Prof. B. Ehmke

Die adjuvante Gabe von systemisch wirksamen Antibiotika im Rahmen einer systematischen Parodontitistherapie sollte aufgrund der Gefahr mikrobieller Resistenzen und des Einflusses auf das gesamte Mikrobiom des menschlichen Organismus bei jedem Patienten individuell kritisch hinterfragt werden. Patienten mit Parodontitis, die jünger sind als 56 Jahre und an mehr als 35% aller erfassten Mess-Stellen eine TST ≥ 5 mm aufweisen, können im Rahmen der subgingivalen Instrumentierung eine adjuvante systemische Antibiotikagabe erhalten. Patienten mit Parodontitis und einem Lebensalter ab 56 Jahren und/oder einem geringeren Anteil parodontaler Läsionen (weniger als 35% aller erfassten Mess-Stellen mit TST ≥ 5 mm) sollten primär keine Antibiotikatherapie erhalten. Bei Patienten mit Parodontitis, die 35 Jahre alt oder jünger sind, sollte zur Verbesserung des Therapieergebnisses im Zusammenhang mit der subgingivalen Instrumentierung die adjuvante Gabe eines Antibiotikums erfolgen, sofern eine Parodontitis mit Stadium III vorliegt. Unter Berücksichtigung der oben gestellten Indikationen sollte die Dosierung von Amoxicillin 500 mg und Metronidazol 400 mg, jeweils 3/d für sieben Tage, betragen. Bei Penicillin-Allergie und/oder Arzneimittelexanthem ist die alleinige Gabe von Metronidazol zu empfehlen. Zusätzlich sollen grundsätzlich die jeweils aktuellen Fachinformationen des Herstellers zur Dosierung und Einnahmeregelungen beachtet werden.